Nachhaltige Mode in Düsseldorf

SUSTAIN! Nachhaltige Mode in Düsseldorf

Die Düsseldorf Fashion Days haben auch in diesem Jahr wieder einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit gelegt. Unter dem Titel „SUSTAIN!„, kuratiert vom Lifestyle-Magazin „THE DORF“ waren Pop-up-Stores mit lokalen und nachhaltigen Brands und ihren Fashion-, Beauty- und Design-Produkten im Fürstenpalais zu sehen.  Ergänzt wurde das Programm durch die „Green Fashion Tour“, eine Nachhaltigkeitskonferenz und dem sogenannten „Intercultural Pop-Up“ im Stadtmuseum. Hier wurden in Kollaboration mit dem Fashion Aware Club, der Igedo Exhibition und einem ukrainischen Designerkollektiv Workshops rund um nachhaltige Mode angeboten. Und auch die Neonyt als wichtiger Bestandteil der Messe auf dem Areal Böhler war wieder einmal mehr als nur ein Akzent für faire und nachhaltige Mode.

Aber nicht nur mit der SUSTAIN! platziert sich Düsseldorf als Vorreiter in Deutschland in Sachen nachhaltige Mode. Stadtweit gibt es auch immer wieder zahlreiche Aktionen und Initiativen, die das Bewusstsein für umweltfreundliche Kleidung schärfen. Dazu tragen u.a. Mode-Recycling-Veranstaltungen, unzählige Workshops und Vorträge von verschiedenen Organisationen und Modegeschäften bei. Auch mangelt es nicht an Second-Hand-Shops, in denen man gebrauchte Kleidung kaufen und verkaufen kann.

Also, alles gut in Düsseldorf? Nein, weder in Düsseldorf noch in der Welt. Alle Bemühungen, Mode in eine nachhaltige und faire Richtung zu lenken, sind natürlich absolut notwendig und ehrenwert. Aber ehrlicherweise ist das alles nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Nach wie vor ist die Mode- und Bekleidungsindustrie nach der Ölindustrie weltweit der zweitgrößte Umweltverschmutzer. Sie verursacht mehr CO2-Emissionen als Luft- und Schifffahrt zusammen. Jährlich werden schätzungsweise bis zu 150 Milliarden Kleidungsstücke produziert. Der Wasserverbrauch bei der Produktion ist dabei gigantisch, da sie rund 93 Milliarden Kubikmeter Wasser pro Jahr verbraucht, was etwa vier Prozent der gesamten Süßwasserentnahme weltweit entspricht.

Auch der Bodenverbrauch ist enorm: Schätzungen zufolge werden jährlich etwa 2,4 Millionen Quadratkilometer Land für den Baumwollanbau genutzt. Die industrielle Produktion von Kleidung hat natürlich auch Auswirkungen auf die Wasserverschmutzung. Chemikalien und Farbstoffe, die in der Textilproduktion verwendet werden, gelangen häufig in Gewässer und schädigen dort das Ökosystem.

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher sind sich dessen bewusst. Trotzdem ist der Verbrauch von Kleidung in den letzten Jahrzehnten immer weiter und immer schneller gestiegen. Dabei wird ein Großteil nie angezogen. Die Modeindustrie ist bei der Veröffentlichung der Produktionszahlen äußerst zurückhaltend, aber Branchenexperten schätzen, dass bis zu 60% aller Kleidung nie getragen wird. Ein Teil davon bleibt im Geschäft, wird nie verkauft und landet irgendwann im Müll.

Ein weiteres Problem ist der schnelle Lebenszyklus von Kleidungsstücken. Bekleidung wird heutzutage nicht nur in Massen produziert, sondern auch mit dem Ziel, schnell aus der Mode zu kommen. Das führt zu einer „Wegwerfmentalität“ der Verbraucher. Laut einer Studie der „United Nations Environment Programme“ (UNEP) landen jedes Jahr weltweit rund 92 Millionen Tonnen Textilabfälle auf Deponien. In Deutschland allein beträgt der Anteil an Textilabfällen jährlich etwa 1,6 Millionen Tonnen. Und die Kleidungsstücke werden heute eher weggeworfen als gespendet.

Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur wird weniger als die Hälfte der Altkleider zur Wiederverwendung oder zum Recycling gesammelt und nur ein Prozent wird zu neuer Kleidung recycelt, da Technologien, die das Recycling von Kleidung zu neuen Fasern ermöglichen würden, erst jetzt aufkommen. Viele der Alttextilien werden nach Afrika und Asien exportiert. Dort wird ein Teil auf lokalen Kleidermärkten verkauft. Die Entsorgung dessen, was am Ende niemand mehr haben will, wird den ärmeren Ländern aufgebürdet. So verschmutzt der Textilabfall der westlichen Welt dort vielerorts die Umwelt – ein Problem, das auch als „Abfallkolonialismus“ bezeichnet wird.

Zwar ist die Nachfrage nach nachhaltiger Bekleidung weltweit stark gestiegen, da Verbraucher in vielen Ländern zunehmend Wert auf ethische und umweltfreundliche Mode legen, aber nur für eine Minderheit (41%) von Konsument*innen ist Nachhaltigkeit das entscheidende Kaufkriterium.

Und die Spirale dreht sich immer schneller. Ultra Fast Fashion ist unaufhaltsam auf dem Vormarsch. Allein Shein beherrscht rund ein Fünftel des weltweiten Fast-Fashion-Markts. 600 000 Pakete verschicken Shein und Temu täglich in die USA. Das geht aus einem Bericht des US-Kongresses vom Juni 2023 hervor. In Deutschland wird die Zahl der Pakete von den beiden Firmen inzwischen auf etwa 400 000 am Tag geschätzt. Shein und Temu fliegen jeweils 4000 bis 5000 Tonnen Waren täglich aus. Bedeutet: Jeden Tag müssen allein dafür mehr als Hundert Frachtjets vom Typ Boeing 777 abheben. Aber das Geschäftsmodell von Shein ist extrem erfolgreich. Während in früheren Zeiten nur zwei Kollektionen pro Jahr produziert wurden, schafft es die chinesische Firma, mit Hilfe von KI bis zu 1.000 neue Designs auf den Markt zu werfen – täglich und das zu unschlagbaren Preisen.

Die ein oder der andere mag sich über das billige T-Shirt freuen, die Kosten zahlen allerdings andere. Und die tragen Näherinnen nicht nur in Bangladesh, China oder Indonesien, sondern auch mitten in Europa. In vielen Ländern, in denen Mode produziert wird, werden die ILO-Kernarbeitsnormen nicht eingehalten. Es gibt entweder keine Gewerkschaften oder teils nur schwache, die Verbesserungen herbeiführen könnten. So zahlen 93 % befragter Textilunternehmen ihren Arbeiter*innen keinen Existenzlohn. Anders als der Mindestlohn ist der von den Vereinten Nationen als Menschenrecht anerkannte Existenzlohn „ein Lohn, der ausreicht, um Arbeiter*innen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu ermöglichen“. Das gilt ebenso für Polen, Rumänien, Bulgarien und man mag es kaum glauben auch für Großbritannien. In der englischen Region Leicester verdienen Tausende Textilarbeiter*innen deutlich weniger als den gesetzlichen Mindestlohn.

Welche Maßnahmen die EU bisher ergriffen hat

Die Europäische Union (EU) nimmt in diesem Kontext eine zentrale Rolle ein, da sie versucht, die Branche durch Gesetze und Initiativen zu einem nachhaltigeren Wirtschaften zu bewegen. Sie hat mehrere Gesetze und Initiativen ergriffen, um die Modeindustrie in eine nachhaltigere Richtung zu lenken. Dabei geht es nicht nur um Umweltschutz, sondern auch um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und die Förderung eines Kreislaufsystems.

Ein wichtiger Bestandteil der EU-Initiativen zur Förderung der Nachhaltigkeit in der Modeindustrie ist der sogenannte „Europäische Grüne Deal“. Die Modeindustrie ist ein explizites Ziel im Rahmen des Grünen Deals, insbesondere die Förderung von Kreislaufwirtschaft und nachhaltiger Produktion. Im März 2022 legte die Europäische Kommission den „Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft“ vor, der die Grundlage für den Umbau der Modebranche legt. Der Aktionsplan zielt darauf ab, die Kreislaufwirtschaft zu steigern, die Produktion von Textilabfällen zu verringern und den Recyclingprozess zu fördern.

Das Europäische Parlament legte im März 2024 Vorschläge für Änderungen an den Vorschriften für Textilabfälle vor. Mit der Überarbeitung der Abfallrichtlinie werden Systeme der erweiterten Herstellerverantwortung eingeführt. Das bedeutet in der Praxis, dass die Hersteller von Textilien wie Kleidung, Schuhen, Hüten und Accessoires sowie andere Unternehmen, die solche Produkte auf den europäischen Binnenmarkt bringen, die Kosten für die getrennte Sammlung, Sortierung und das Recycling tragen müssen.

Ein weiteres Instrument zur Förderung nachhaltiger Mode ist die „Ökodesign-Richtlinie“, das die Nachhaltigkeit von Produkten reguliert. Damit wurden die Anforderungen für das Design von Produkten verschärft und die Verantwortung von Herstellern und Händlern stärkt. Diese Verordnung zielt darauf ab, die Ökobilanz von Produkten, einschließlich Kleidung, zu verbessern und eine längere Lebensdauer zu gewährleisten.

Die Ökodesign-Verordnung von Juli 2024 wird diesen Ansatz nun auf eine viel breitere Palette von Produkten ausweiten und es ermöglichen, weitreichende „Ökodesign-Anforderungen“ an Leistung und Information in einer Vielzahl von Bereichen festzulegen. Damit wird ein direktes Verbot der Vernichtung unverkaufter Textilerzeugnisse und Schuhe eingeführt, mit Ausnahmeregelungen für kleine Unternehmen und einem Übergangszeitraum für mittlere Unternehmen. Außerdem müssen große Unternehmen jährlich offenlegen, wie viele unverkaufte Konsumgüter sie aus welchen Gründen entsorgt haben.

Die Europäische Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) zielt darauf ab, die sozialen und ökologischen Standards in den globalen Lieferketten zu verbessern. Die Modeindustrie ist weltweit für viele Menschen in Entwicklungsländern ein wichtiger Arbeitgeber. Doch die Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten sind oft prekär. Die EU versucht, durch diese Verordnung Unternehmen dazu zu verpflichten, die Arbeitsbedingungen in ihren globalen Lieferketten zu überwachen und zu verbessern.

In der EU gibt es Bestrebungen, Fast Fashion weniger attraktiv zu machen. In Frankreich etwa wurde bereits eine Steuer auf Kleidungsstücke eingeführt, die auf den „Fast Fashion“-Markt abzielen. Auch die britische Regierung erwägt ähnliche Maßnahmen.

Die EU hat in den letzten Jahren eine Vielzahl von Gesetzen und Initiativen entwickelt, um die Modeindustrie nachhaltiger zu gestalten. Trotz dieser Fortschritte bleibt die Umstellung auf eine wirklich nachhaltige Modeindustrie eine große Herausforderung. Bleibt zu hoffen, dass Düsseldorf weiterhin den konsequenten Weg zur Nachhaltigkeit geht. Bekanntlich fängt auch der längste Weg mit dem ersten Schritt an.

Nach oben scrollen