Man kann ja über den Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD sagen, was man will, aber einen Ruck durch die Gesellschaft wird er sicherlich nicht auslösen. Natürlich fängt die neue Bundesregierung nicht mit einem weißen Blatt Papier an und jede Seite hat ihre Zugeständnisse gemacht und auch machen müssen. Schon klar, aber der ganze Entwurf liest sich nicht sehr ambitioniert, teilweise rückschrittlich und da, wo er sich zukunftsgerichtet gibt, bezweifle ich, ob den hehren Worten auch entsprechende Taten folgen werden.
Zuversichtlicher bin ich aber bei dem Kapitel, das die Beziehungen zu Frankreich und Polen anspricht. Es ist ein Aspekt, der in der überregionalen Presse eher nicht erwähnt wird, aber für die Einigung und Entwicklung Europas eine immens wichtige Rolle spielt. Die Anerkennung der Bedeutung der deutsch-französischen Achse und die Bekräftigung der deutsch-französischen Agenda vom 22. Januar 2013 sind hier eindeutig benannt. Warum der Aachener Vertrag (2019) bei dieser Gelegenheit nicht erwähnt wird, bleibt schleierhaft – weil Angela Merkel ihn unterzeichnet hat?
Trotzdem, ich bin sehr hoffnungsvoll, dass wir dort Erfolge erwarten dürfen, denn Friedrich Merz pflegt eine enge Beziehung zu Frankreich, die sich sowohl in seiner politischen Arbeit als auch in persönlichen Erfahrungen widerspiegelt. Frankreichaufenthalt im Rahmen eines Schüleraustausches, ausgezeichnete Sprachkenntnisse, Wertschätzung für die französische Kultur und die Zusammenarbeit mit Frankreich im EU-Parlament haben ihn sicherlich so geprägt, dass er schon ein sehr großes persönliches Interesse an einer Umsetzung hat.
Aber im Koalitionsvertrag soll ja nicht nur die Partnerschaft mit Polen vertieft, sondern auch das so genannte Weimarer Dreieck intensiviert werden. Für das Auswärtige Amt ist das Weimarer Dreieck, seit es 1991 ins Leben gerufen wurde, von besonderer Bedeutung, da es eine Plattform für den Austausch über sicherheits- und außenpolitische Fragen bietet. In Zeiten geopolitischer Herausforderungen, wie dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine, gewinnt dieses Format an Relevanz. Allerdings hat es nie so richtig Fahrt aufnehmen können.
Im europäischen Städtenetzwerk RGRE, in dem ich Mitglied bin, haben wir versucht, auf der lokalen Ebene das Weimarer Dreieck zu befördern, denn in den Städtepartnerschaften spielen die zwischenmenschlichen Beziehungen eine große Rolle und können den Grundstein für die weitere Entwicklung legen. Aber auch hier gibt es nicht zu unterschätzende Hürden. Lokale Politker*innen, die fast immer nur ehrenamtlich tätig sind, haben nicht immer die Zeit, an regelmäßigen Treffen teilzunehmen. Und natürlich spielt das liebe Geld auch immer eine Rolle. Die Städte oder Kommunen müssen für ihre Verhältnisse manchmal erhebliche Mittel für Übersetzung, Übernachtungen, Catering, Reisekosten etc. aufbringen. Mittel, die auch in Deutschland nicht immer zur Verfügung stehen, vor allen Dingen nicht, wenn man sich in der Haushaltssicherung befindet.
Von Frankreich ganz zu schweigen. Der Staat ist inzwischen so überschuldet, dass auch die weitere Finanzierung des Deutsch-Französischen Bürgerfonds von einigen in Frage gestellt wird. Ob es so weit kommt, weiß man nicht, aber es wäre ein schwerer Schlag für die deutsch-französische Freundschaft. Deshalb haben wir in einer Erklärung des RGRE von der Europäischen Kommission eine sichere Finanzierung gefordert – nämlich 1 EUR für jede Bürgerin, jeden Bürger. Nur so kann die Europaarbeit, die in Deutschland eine freiwillige Leistung und keine Pflichtaufgabe ist, gewährleistet werden.
Wie bleiben dran und werden auch die neue Koalition an ihren Taten messen.