Deutsch-Französische Konferenz in Straßburg

Wieder in Straßburg. Zum vierten Mal lud die Heinrich-Böll-Stiftung zum Dialog zwischen Grünen aus Deutschland und Frankreich ein. Im gesamten Mai wird hier Europa mit Lesungen, Diskussionen und anderen kulturellen Veranstaltungen gefeiert. In ihrer Begrüßungsrede zu dieser Konferenz kam die Bürgermeisterin Jeanne Barseghian daher nicht umhin, die von Deutschland neu eingerichteten Grenzkontrollen scharf zu kritisieren.

Bürgermeisterin Jeanne Barseghian ist sauer

Wir erinnern uns: Ausgerechnet am Vorabend des Europatags traten die neuen Regelungen von Friedrich Merz in Kraft. Diese kämen aber weder in der französischen Politik noch in der Bevölkerung der grenznahen Gebiete gut an. Man hoffe jetzt, mit diplomatischen Mitteln von französischer Seite Einfluss zu nehmen. Schon die Grenzschließungen während der Corona-Pandemie waren traumatisch. All dies verstoße gegen den Geist Europas, sei nicht hinnehmbar und müsse von deutscher Seite schnellstmöglich zurückgenommen werden. Die Bürgermeisterin war wirklich sauer, das war nicht zu übersehen.

Auf der Rückfahrt von Straßburg nach Karlsruhe durfte ich die Auswirkungen auch praktisch erleben. Mitten auf der Strecke machte der TGV einen Zwischenstopp in Kehl, wo die Bundespolizei zustieg. Im deutschen Kasernenton wurde das Vorzeigen der Ausweispapiere verlangt, was einigen Unmut unter den Reisenden auslöste. Insgesamt wirkte das Spektakel etwas surreal, und die Politik der neuen Bundesregierung war für die Deutschen dann schon etwas zum Fremdschämen.

Der Kampf gegen Rechtsextremismus

Bei der Konferenz gehörten Populismus und Rechtsextremismus zu den wichtigsten Themen, die von den Teilnehmenden engagiert diskutiert wurden. Kein Wunder, denn Rassemblement National als auch die AfD finden in der Bevölkerung immer mehr Zuspruch. Die spannende, bisher unbeantwortete Frage war: „Wie können sich Kommunen gegen Rechtsextremismus wappnen?” Dies ist besonders vor dem Hintergrund der wachsenden extremistischen Gewalt und der Verschiebung der politischen Realitäten von Bedeutung.

Im Rathaus mit Marc Berthold, Stephanie Moch und Andreas Wolter
Eine tolle Tagung im wunderschönen Rathaus von Straßburg

Das war sicherlich nicht die erste Konferenz, die sich damit beschäftigte, und auch Expertinnen und Wissenschaftlerinnen forschen seit Jahren, ohne einer Lösung wirklich nahe zu kommen. Die AfD wird ja nicht nur im Osten, sondern auch im Westen immer stärker. Aber natürlich müssen wir weiter im Gespräch bleiben – auch grenzübergreifend – und sollten deshalb die Erfahrungen aus dem Ausland, insbesondere aus Frankreich, einbeziehen. Und genau das war der Grund für unsere Zusammenkunft.

Die Referentin Julia Link aus Stuttgart und der Autor Jean-François Poupelin gaben einen Einblick, was Kommunen in Deutschland und Frankreich tun können, um den Rechtsextremismus wirksam zu bekämpfen. Um ein Gesamtbild zu erhalten, ist es laut den Referent*innen notwendig, dass sich Akteure und Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, vernetzen. Dazu solle ein Monitoring der Aktivitäten der rechten Szene sowie eine Beratung im Umgang damit einhergehen.

Doch auch die Kommunen können und müssen ihren Beitrag leisten: Die Politik muss sich kontinuierlich und glaubwürdig für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Den Worten müssen Taten folgen, und die Solidarität mit Akteuren und Institutionen muss offensiv gezeigt werden.

Wichtig ist auch, die eigene politische Tätigkeit nicht neutral zu kommunizieren. Oft hört man, dass es bei den Vorschlägen der Rechten doch um die Sache gehe und das Anliegen „eigentlich” in Ordnung sei. Nein, man solle konsequent mit Nein stimmen, so die Empfehlung.

Die ernsthafteste Bedrohung in Frankreich sei der Rassemblement National, so Poupelin. Die extreme Rechte ist vor allem im Südosten des Landes sehr präsent. Er empfahl, mehr zur Unterstützung von Sozial- und Jugendzentren beizutragen, auch wenn immer weniger finanzielle Mittel zur Verfügung stünden. Man brauche die sozialen Akteure für soziale Bindungen. Die Kommunen müssten die Bürger*innen mehr einbeziehen und präsenter in den Stadtteilen sein.

Ein gut funktionierender Staat stärkt auch die Demokratie.

Wie kann der Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen in Städten verbessert und diese effizienter gestaltet werden? Das war die Frage in einem der anderen Workshops.

Es ist ja kein Geheimnis, dass Verwaltungen in Deutschland und Frankreich vor einigen Herausforderungen stehen. Viele Städte können die Leistungen der Daseinsvorsorge inzwischen nur noch mit Mühe erbringen.

Wenn Schwimmbäder schließen, sich Genehmigungsverfahren endlos in die Länge ziehen und Menschen monatelang auf Bescheide warten müssen, schwindet das Vertrauen in den Staat. Deshalb muss jetzt alles getan werden, damit die Kommunen in die Lage versetzt werden, ihre Leistungen zu erbringen. Gerade angesichts des Fachkräftemangels wird es zunehmend schwerer, Personal zu gewinnen. Dazu muss der Staatsdienst aber attraktiver werden.

Wir lassen uns nicht aufhalten: Sylvia – Fuß | Paul – Nase und ich Hand gebrochen
Straßburg kann man gut im Laufen erkunden. Hier vor dem Europaparlament.

Es war ein fruchtbarer Austausch, in dem die verschiedenen nationalen Ansätze sichtbar wurden, der aber auch zu neuen Perspektiven führte. Die individuellen Seitengespräche waren für alle wirklich gewinnbringend. Danke an die Heinrich-Böll-Stiftung für die Einladung und das wundervolle Format.

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