Das Jahr 2025 geht so langsam seinem Ende entgegen und damit sind auch die Tage, an denen Chemnitz den stolzen Titel einer Kulturhauptstadt Europas tragen darf, gezählt. Für mich ergab sich nach dem Wochenende im Frühjahr jetzt noch einmal die Gelegenheit, die Stadt zu besuchen und aus dem vollen Programm zu schöpfen.

Unter dem Titel „Angst“ präsentierte das Kunstmuseum Chemnitz eine Werkschau zu Edvard Munch. Die Ausstellung zeigt insgesamt 140 Gemälde, Grafiken, Fotografien, Skulpturen und Videoinstallationen. Dabei werden die Bilder von Edvard Munch komplementär ergänzt durch Werke seiner Zeit von Künsterlinnen und Künstler wie Max Klinger, Egon Schiele, Karl Schmidt-Rottluff und Marianne von Werefkin. Zeitgenössische Positionen schlagen zudem die Brücke zur Gegenwart. Und wohlwollend kann man zur Kenntnis nehmen, dass der Andrang so groß war, dass der Besuch nur mit Zeitkontingenten möglich war. Das gab mir noch etwas Zeit, die Ständige Sammlung anzuschauen und da noch einen Lovis Corinth und einen Andreas Achenbach aus der Düsseldorfer Malerschule zu entdecken.


Und auch wenn ich schon einige Stadtführungen mitgemacht habe – es gibt dann doch immer noch etwas Neues zu entdecken. Und auch über die Dinge, die man schon kennt, freut mach sich, wenn sie noch einmal erzählt werden. Bei all den Anekdoten und Projekten in dieser Stadt, die noch anstehen und verwirklich werden sollen, hört man immer wieder die Hoffnung heraus, dass der Titel Kulturhauptstadt zu einer positiven Zukunft der Stadt beitragen kann. Ich glaube, das wird es auch.
Abends dann ins Theater. Das Bildnis des Dorian Gray von Oscar Wilde stand auf dem Spielplan. Den Bezug zur Kulturhauptstadt Chemnitz konnte ich nicht erkennen, auch wenn ich um drei Ecken gedacht habe. Sei’s drum. Es gab theatertechnisch sowieso keine Alternative. Das Stück selbst habe ich als etwas blutleer empfunden. Vielleicht lag es an der Vorlage, vielleicht an den Schauspielern oder der Regie. Ich weiß es nicht. Aber man kann ja nicht immer begeistert sein.


Der nächste Tag begann hoffnungsvoll mit dem Apfel-Fest im Kulturkaufhaus Tietz. Das Event war Teil des Hauptprojektes Gelebte Nachbarschaft. Vom 19. bis zum 26. Oktober 2025 werden in Chemnitz und der Region wieder hunderte Apfelbäume gepflanzt. Im Tietz selbst gab es zahlreiche apfelbezogene Attraktionen wie die längste Apfelkuchenparade der Stadt (sehr lecker), Lesungen, Mitmachaktionen für Kinder, Musik, eine Apfelrezepte-Ausstellung, Apfel-Yoga (ohne mich) und Apfel-Salsa-Training (auch ohne mich). Zum Abschluss des Tages spielte DJ xBRAYNE auf dem Dach des Kaufhauses. Es war laut, sehr laut und sollte es auch wahrscheinlich sein,


Nach der Kuchenverkostung gab es dann Schwereres zu verdauen. Einmal das Kaßberg-Gefängnis, welches heute als Lern- und Gedenkort dient. Hier wird anhand individueller Schicksale die Geschichte des Gebäudekomplexes als Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit und zuvor der sowjetischen Geheimpolizei NKWD/MGB gezeigt.. In der Zeit des Nationalsozialismus waren zuden im Kaßberg-Gefängnis Angehörige unterschiedlicher Verfolgtengruppen eingesperrt. Ab 1966/67 nimmt das Gefängnis eine Sonderstellung in der deutsch-deutschen Geschichte ein, da die Haftanstalt zur Drehscheibe für den Häftlingsfreikauf aus der DDR wird.
Danach ging es in das NSU-Dokumentationszentrums in Chemnitz. Die Hauptaufgabe des Zentrums , das als „Offener Prozess – Ein Dokumentationszentrum zum NSU-Komplex“ bekannt ist, besteht in der Aufarbeitung des NSU-Komplexes (Nationalsozialistischer Untergrund), der Erinnerung an die Opfer und der Sensibilisierung für die Kontinuitäten von Rassismus und rechter Gewalt. Es dient als interdisziplinärer Lern-, Gedenk- und Forschungsort mit bundesweiter Bedeutung. Der Ort Chemnitz wurde bewusst gewählt, da sich der NSU-Kern in Sachsen bewegte und Chemnitz eine zentrale Rolle im NSU-Komplex spielte. Es soll einen Beitrag zu einer lebendigen Erinnerungspolitik leisten. Beide Gedenkorte sind ein Muss, für jeden, der Chemnitz besucht.
Mein Fazit: Ich habe an diesem Wochenende viel gesehen, aber noch lange nicht genug. Bedeutet für mich, bald wiederzukommen.